Fachtag „Demokratie verteidigen“ ruft zum aktiven Engagement auf
„Hut ab!“, begrüßte Bürgermeister Frank Schneider die Teilnehmenden des Fachtags „Demokratie verteidigen“, zu dem die Volkshochschule in Zusammenarbeit mit der Stadt Langenfeld und dem Bündnis „Wir für Demokratie“ am Samstag, 16. November, in den Ratssaal der Stadt eingeladen hatte. „Wenn sich an einem Samstagmorgen fast 100 Menschen im Rathaus versammeln, um über Demokratie zu diskutieren, dann hat das Thema den richtigen Nerv getroffen,“ gab sich der Bürgermeister beeindruckt. Eingeladen waren Ehrenamtliche, Lokalpolitiker und -politikerinnen sowie alle Bürgerinnen und Bürger, um aktiv zur Stärkung der Demokratie beizutragen. „Hier im Wohnzimmer der Demokratie geht es manchmal hoch her“, berichtete der Rathauschef aus dem Alltag des Stadtrats. Demokratie bedeute Diskurs und Diskussionen. Daher sei dies zwar nicht die einfachste, aber die einzig wahre Gesellschaftsform. „Hier in den Kommunen findet das Leben statt. Hier entfaltet Demokratie ihre Kraft − und hier muss sie verteidigt werden“, appellierte Bürgermeister Schneider an die Teilnehmenden des Fachtags.
vhs Langenfeld fördert den Dialog
Die vhs Langenfeld hat sich zum Ziel gesetzt, die demokratische Kultur durch Bildungsangebote für Menschen aller Altersgruppen und Hintergründe zu stärken und Plattformen für Austausch und Dialog zu schaffen, erklärte Dr. Carolin Ulbricht, zuständig für den Bereich politische Bildung bei der vhs Langenfeld und Organisatorin der Veranstaltung. Dieser Fachtag sei ein wesentlicher Baustein im Bereich der Demokratiebildung. „Wir möchten eine Debatte anstoßen, die die Bedrohungen unserer demokratischen Kultur klar benennt“, umreißt die stellvertretende VHS-Leiterin das Ziel der Veranstaltung. „Durch Bildungsangebote, die aufklären und sensibilisieren, schafft die Volkshochschule Räume, in denen Menschen miteinander ins Gespräch kommen, sich informieren und eigene Haltungen hinterfragen können – denn nur so kann die demokratische Mitte gestärkt werden, um Rechtsextremismus und populistischen Strömungen entgegenzutreten“, betont VHS-Chef Christian Fliegert.
„Liebe Demokratiefans“, begrüßte Doris Sandbrink vom Bündnis „Wir für Demokratie“ die Besucherinnen und Besucher des Fachtags. Sie lieferte eine beeindruckende Bilanz der Aktivitäten, die das Bündnis in den ersten 10 Monaten seines Bestehens bereits umgesetzt hat. Ganz aktuell sind beachtliche 31 Beiträge zum Demokratiesong-Wettbewerb eingegangen. Über 100 Menschen haben bei der Aktion mitgemacht. „Ein wunderbares Beispiel dafür, dass man mit Einsatz etwas erreichen kann“, bilanzierte die Mitbegründerin des Bündnisses. „Faktenwissen allein wird die Menschen nicht bewegen, etwas zu verändern“, gab Sandbrink zu bedenken und regte dazu an, im Einsatz für die Demokratie Gefühle zu wecken.
In welcher Gesellschaft wollen wir leben?
Zwei Impulsvorträge führten in das Thema des Fachtages ein: Über die komplexe Aufgabe, Demokratie zu verteidigen und zu stärken referierte Prof. Dr. Fabian Virchow von der Hochschule Düsseldorf. Er umriss zunächst die Gefährdungen der Demokratie durch vielfältige Faktoren, wie Rechtsextremismus, Desinformation und politische Polarisierung. Die Einflussnahme externer Akteure etwa durch Cyberangriffe oder Medienmanipulation können eine Demokratie ebenso schwächen, wie Demokratieverdrossenheit und sinkende Wahlbeteiligung, eine Schwächung der Medienlandschaft oder der Klimawandel und Ressourcenknappheit. Der Politikwissenschaftler zeigte Alarmsignale auf, die auf eine strukturelle Beeinträchtigung von Demokratie hindeuten. „Für eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft braucht es keine Mehrheiten“, warnte der Gesellschaftstheoretiker. Bereits das unentschlossene, uneinige Vorgehen der Demokraten, Opportunismus und Unterschätzung ebne antidemokratischen Tendenzen den Weg. Abschließend gab Virchow den Teilnehmenden einige Handlungsoptionen mit auf den Weg: Zunächst gelte es, sich darüber zu verständigen, in welcher Gesellschaft wir leben wollen: gerecht und solidarisch oder ausgrenzend und menschenrechtsfeindlich. Virchow unterstrich die Notwendigkeit, soziale Sicherheit zu schaffen, demokratische Selbstwirksamkeitserfahrung zu stärken und die politische Bildung zu intensivieren. Er machte deutlich, dass jeder einzelne einen Beitrag leisten kann, indem Pluralität normalisiert und Konfliktfähigkeit trainiert wird, indem man Rassismus und Nationalismus im Alltag widerspricht, aktive Solidarität mit Bedrohten und Angegriffenen zeigt und die Brandmauer gegen die extreme Rechte in den Kommunalparlamenten stabil hält, um Rechtsextremismus keinen Raum zu geben.
Beteiligung in der Kommune fördern
Mona Ende, zuständig für Öffentlichkeitsbeteiligung beim Amt für Stadtplanung und Wohnen der Stadt Bochum, gab in ihrem Impulsvortrag Einblicke, wie man mit guten Beteiligungserfahrungen die Demokratie in den Kommunen fördern kann. Sie legte dar, wie Beteiligung die Akzeptanz für Veränderungsprozesse erhöhen, die Zufriedenheit steigern und das Vertrauen in die Politik stärken kann, wenn bestimmte Gelingensfaktoren für die Organisation berücksichtigt werden. Dafür müsse die Beteiligung ernsthaft erfolgen − zu einem Zeitpunkt, zu dem noch Handlungsspielraum vorhanden ist. Schließlich komme es darauf an, realistische Erwartungen zu wecken und möglichst alle mitzunehmen, appellierte die Stadtplanerin. Schließlich müssen die Ergebnisse in einfacher und verständlicher Sprache kommuniziert werden. „Denn nur gut gemachte Beteiligung kann demokratiefördernd wirken“, erklärte Ende, die vielen Langenfeldern noch als Koordinatorin für Quartiersarbeit in Langenfeld bekannt sein dürfte.
Auch Kinder und Jugendliche können mitwirken
Best-Practice Beispiele für eine gelungene Kinder- und Jugendbeteiligung in Langenfeld demonstrierte Ingrid Graser vom Referat Jugendarbeit. Von den beliebten Kinderführungen, bei denen bereits die Jüngsten einen Blick hinter die Kulissen in ihrem Rathaus werfen dürfen und spielerisch an eine Wahl herangeführt werden, über eine digitale Schnitzeljagd für Jugendliche, bis hin zu einem partizipativ durchgeführten VR-Projekt zur politischen Jugendbildung oder der Mitarbeit im Jugendrat – allen Angeboten ist eins gemein: Sie sollen bereits frühzeitig positive Gefühle mit dem Rathaus und der Stadtpolitik assoziieren.
Paroli gegen rechte Parolen
In zwei Workshop-Runden am Nachmittag waren schließlich die Teilnehmenden zur Mitwirkung eingeladen. Dabei drehte sich alles darum, wie man politische Manipulation und Propaganda erkennen und dieser entschieden und effektiv entgegentreten kann. Dazu wurden mögliche Handlungsoptionen vorgestellt und den Teilnehmenden verschiedene Strategien an die Hand gegeben. Unter Anleitung von Doris Sandbrink trainierten die Workshop-Besucherinnen und -besucher, selbstbewusst gegen blöde Sprüche und Stammtischparolen zu kontern. Im Workshop von Bildungsreferent Gunnar Meyer konnte man selbst in die Rolle eines Verschwörungstheoretikers schlüpfen und ungestraft Fake News verbreiten. Beim Spinnen von wilden Verschwörungsideologien kamen die Teilnehmenden so richtig in Fahrt. Gemeinsam mit Mona Ende konnten die Teilnehmenden schließlich einen Leitfaden für ein individuelles Projekt erarbeiten, um ganz konkret in der eigenen Kommune oder dem eigenen Verein Beteiligungserfahrungen zu sammeln.
Verbundenheit macht Mut
Der Fachtag „Demokratie verteidigen“ hat eine durchweg positive Bilanz hinterlassen. Es war inspirierend zu erleben, wie aus der vermeintlich „schweigenden Mehrheit“ ein kraftvolles, aktives Engagement erwuchs. Gemeinsam mit Gleichgesinnten die Verantwortung für unsere demokratischen Werte in die Hand zu nehmen, hat eine spürbare Gruppenidentität geschaffen – ein Gefühl der Verbundenheit, das Mut und Zuversicht für die kommenden Aufgaben gibt. Ein zentrales Ergebnis der Tagung ist der dringende Appell an jeden einzelnen, im Alltag Haltung zu zeigen, um demokratische Prinzipien zu schützen und zu stärken und das Plädoyer an die Kommunen, frühzeitig die nötigen Ressourcen für Beteiligungsverfahren bereitzustellen und nicht nachzulassen in ihren Bemühungen, das Angebot zur politischen Bildung konsequent weiter auszubauen. Die Förderung des Engagements und Investitionen in Personal und Projekte, wie den heutigen Fachtag sind essenziell, um die Basis für eine starke, lebendige Demokratie zu schaffen. Auf die Frage, was sie denn tue, wenn das Ohnmachtsgefühl gegenüber den Bedrohungen unserer demokratischen Kultur überhand nimmt, entgegnete Mona Ende: „Dann schaue ich nach Langenfeld und auf all die Aktivitäten, die hier in kurzer Zeit auf die Beine gestellt wurden − davon lasse ich mich inspirieren und zuversichtlich stimmen.“