Weiterbildung bleibt frei von Umsatzsteuer

Interview mit Mathias Szabó, Ministerium der Finanzen NRW

Mit dem Jahressteuergesetz 2024 blieb zunächst unklar, inwieweit Volkshochschulen weiterhin von der Umsatzsteuer befreit sind. Kürzlich hat das Bundesministerium der Finanzen zwei Schreiben herausgegeben. Der Landesverband der Volkshochschulen von NRW hat Mathias Szabò, Fachreferent im Ministerium der Finanzen NRW, um eine Einordnung gebeten.

vhs-Landesverband: Wie ist nun aus Ihrer Sicht die Rechtslage in puncto Umsatzsteuer für die Volkshochschulen zu bewerten?

Mathias Szabó, Ministerium der Finanzen NRW: Die Rechtslage wurde mit den beiden BMF-Schreiben vom 24. Oktober 2025 deutlich stabilisiert und konkretisiert. Es ist nun eine wichtige Klarstellung erfolgt: Die für Volkshochschulen zentrale Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 22a UstG blieb unverändert bestehen.

Die Verwaltung hat dazu ein Informationsblatt herausgegeben. Darin sind erstmals konkrete Abgrenzungskriterien für die Unterscheidung zwischen steuerbefreiten Bildungsleistungen und steuerpflichtiger Freizeitgestaltung formuliert. Volkshochschulen können sich weiterhin auf „ihre“ spezielle gesetzliche Befreiungsvorschrift berufen. Bei der einzelfallbezogenen Beurteilung ihrer Angebote wird auch nach den neuen Regularien der weit überwiegende Anteil der Kurse weiterhin der Umsatzsteuerbefreiung unterliegen. Wichtig ist zudem, dass die Verwaltung im Informationsblatt ausdrücklich Themen aus Politik, Gesellschaft, Gesundheit und Kultur als bildungsrelevant anerkennt und nicht allein auf unmittelbare Berufsbezogenheit abstellt.

vhs-Landesverband: Das BMF hat präzisiert, dass die bloße Ausübung von Aktivitäten als umsatzsteuerpflichtige Freizeit gilt. Aber es gibt ja auch das Prinzip „Learning bei doing“. Wie lässt sich beides unterscheiden?

Mathias Szabó, Ministerium der Finanzen NRW: Die Finanzverwaltung hat im Informationsblatt vom 24. Oktober 2025 einen differenzierten Kriterienkatalog entwickelt, der grundsätzlich auch praktisches Lernen als Bildungsleistung anerkennt und den Spielraum, den das europäische und nationale Recht zur Definition der Umsatzsteuerbefreiung einräumen, weitestgehend ausnutzt.

Unterhalb der durch die Rechtsprechung formulierten Grenze zur umsatzsteuerfreien Bildungsleistung dürfte daher nur noch ein sehr kleiner Teil der Kurse als reine Freizeitgestaltung der Umsatzsteuer unterliegen. Nach Auffassung der Verwaltung ist – in enger Abstimmung mit den Verbänden der gemeinwohlorientierten Weiterbildung in Deutschland – eine Gesamtschau von drei Kriterienbereichen entscheidend: Inhalt der Veranstaltung, Zielsetzung der Veranstaltung und objektive Eignung der Lehrkraft.

Für die Finanzverwaltung zählt die Zielsetzung: Der Schwerpunkt muss auf Wissens- und Kompetenzvermittlung liegen und einen Lernprozess initiieren. Die Veranstaltung darf nicht bloß den organisatorischen Rahmen für eine Gelegenheit zum Ausüben einer Freizeitaktivität bieten.

NRW setzt sich dafür ein, dass die rechtlichen Vorgaben des europäischen Mehrwertsteuerrechts rechtssicher angewendet werden, ohne die Besonderheiten unseres Bildungsalltags aus dem Blick zu verlieren. Dabei geht es um pragmatische und faire Lösungen. „Learning by Doing“ ist dann bildungsrelevant und steuerfrei, wenn ein pädagogisch-didaktisches Konzept zugrunde liegt, das strukturierte Lerninhalte, definierte Lernziele und geeignete Methoden umfasst.

Praktische Elemente sind also keineswegs schädlich – im Gegenteil: Das BMF erkennt ausdrücklich an, dass Bildungsleistungen sowohl theoretische als auch praktische Kenntnisse vermitteln können, die der Vertiefung und Festigung dienen. Die Abgrenzung erfolgt über die Frage, ob die praktische Tätigkeit selbst Zweck ist oder Mittel zum Bildungszweck.

vhs-Landesverband: Volkshochschulen bewerben ihre Angebote oft so, dass weniger der Lernprozess betont wird, sondern eher der Spaßfaktor. Ist diese Marketingstrategie aus steuerrechtlicher Perspektive schädlich?

Mathias Szabó, Ministerium der Finanzen NRW: Die Betonung des Spaßfaktors in der Kursbewerbung ist aus steuerrechtlicher Perspektive grundsätzlich nicht schädlich. Das BMF-Informationsblatt stellt klar, dass für die steuerrechtliche Einordnung nicht die Werbesprache, sondern die objektive Ausgestaltung des Angebots maßgeblich ist. Entscheidend ist die Art der erbrachten Leistungen und ihre generelle Eignung als Bildungsleistung – nicht die Ziele der Teilnehmenden und auch nicht die Art und Weise, wie das Angebot beworben wird.

Eine Marketingstrategie, die ausschließlich auf Entertainment und Freizeiterlebnis setzt, kann nur dann zu Schwierigkeiten bei der Inanspruchnahme der Umsatzsteuerbefreiung führen, wenn der objektive Bildungscharakter des Kurses nicht anderweitig kommuniziert werden kann, z.B. über die ausführliche Kursbeschreibung oder das tatsächliche didaktische Konzept.

Wichtig ist auch: Nach den neuen BMF-Schreiben kommt es darauf an, dass die drei Kriterienbereiche insgesamt erfüllt sind, wobei die Erfüllung der einzelnen Kriterien nicht gleichermaßen ausgeprägt sein muss. Das bedeutet, dass eine werbewirksame Ansprache durch besonders fundierte inhaltliche und didaktische Konzeption ausgeglichen werden kann. Die Dokumentation des pädagogisch-didaktischen Konzepts, der Lernziele und der Qualifikation der Lehrkräfte sollte daher unabhängig vom Marketing erfolgen und bei Bedarf vorgelegt werden können.

vhs-Landesverband: Für die öffentliche Hand gilt perspektivisch eine Umsatzsteuerverpflichtung, der einige Kommunen trotz erneuter Übergangsregelung bereits nachgekommen sind. Inwieweit bezieht sich diese Verpflichtung überhaupt auf Volkshochschulen?

Mathias Szabó, Ministerium der Finanzen NRW: Die perspektivische Umsatzsteuerverpflichtung durch das neue Besteuerungsregime für die öffentliche Hand (§ 2b UStG) betrifft generell juristische Personen des öffentlichen Rechts – also auch die kommunalen Träger der Volkshochschulen. Mit der durch das Jahressteuergesetz 2024 erneut verlängerten Übergangsfrist gilt die neue Regelung verpflichtend erst ab dem 1. Januar 2027.

Der Bezug zu Volkshochschulen ist jedoch differenziert zu betrachten: Die Regelungen des § 2b UStG führen nicht automatisch dazu, dass Volkshochschulkurse der Umsatzsteuer unterliegen. Vielmehr müssen grundsätzlich alle kommunalen Leistungen daraufhin geprüft werden, ob sie unter eine Steuerbefreiungsvorschrift fallen. Für Volkshochschulen ist dies § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG, der unverändert fortbesteht und dessen Anwendbarkeit durch die beiden bereits beschriebenen BMF-Schreiben vom 24. Oktober 2025 konkretisiert wurde.

Das Besteuerungsregime für die öffentliche Hand nach § 2b UStG bezieht sich auf die systematische Prüfung aller Tätigkeiten: Welche Leistungen werden auf privatrechtlicher Grundlage erbracht? Welche fallen unter Steuerbefreiungsvorschriften? Welche sind steuerpflichtig? Eine Vielzahl von Kommunen sind dieser Verpflichtung bereits nachgekommen und haben ihre Haushalte durchleuchtet. Dabei wurde auch das Kursangebot der Volkshochschulen einzelfallbezogen geprüft.

Die zentrale Frage lautet also auch hier: Erfüllt ein konkreter Kurs die Voraussetzungen des § 4 Nr. 22a UStG? Dann sind Wettbewerbsverzerrungen gegenüber privaten Bildungsträgern ausgeschlossen und für den Kurs fällt auch zukünftig keine Umsatzsteuer an. Die größere Herausforderung liegt in der Abgrenzung zwischen Bildung und Freizeitgestaltung – genau hier schaffen die neuen BMF-Schreiben vom Oktober 2025 nun mehr Klarheit.

vhs-Landesverband: Müssen Kommunen im Nothaushalt mit der Umsatzsteuerverpflichtung strenger verfahren, um eventuelle Nachzahlungen zu vermeiden? Und könnten auf diesem Wege auch Volkshochschulen mit Umsatzsteuer belegt werden?

Mathias Szabó, Ministerium der Finanzen NRW: Das Umsatzsteuerrecht ist Bundesrecht und gilt bundeseinheitlich, unabhängig von der Haushaltslage der Kommune. Die für die Volkshochschulen wichtige Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 22a UStG ist anzuwenden, wenn ihre Voraussetzungen vorliegen – ein Ermessensspielraum besteht insoweit nicht. Die BMF-Schreiben vom 24. Oktober 2025 haben hier hinsichtlich der erforderlichen Rechtssicherheit Maßstäbe gesetzt: Kurse, die den dreistufigen Kriterienkatalog erfüllen (bildungsrelevanter Inhalt, pädagogisch-didaktisches Konzept, Schwerpunkt auf Wissens- und Kompetenzvermittlung, qualifizierte Lehrkraft), sind steuerfrei – unabhängig davon, ob die Kommune im Nothaushalt ist oder nicht.

Zudem gibt die großzügige Übergangsregelung bis Ende 2027 für die zwingende Anwendung des neuen Besteuerungsregimes für die öffentliche Hand, dem § 2b UStG, allen Kommunen ausreichend Zeit für eine sorgfältige Prüfung und Anpassung.

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